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Erstes Buch
Kindheit und Jugend
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Ein Tal im Ammergebirge
MITTE MÄRZ IM JAHRE 1695
Die bucklige, irrsinnige Viehmagd, des Dorfvorstehers Leopold
Avemaria kämpfte sich durch den kniehohen Schnee.
Wege und Stege waren keine zu erkennen. Es war Mitte April
im Jahre 1695 und noch regierte der Winter. Seine Herrschaft
in den Dörfern und Weilern unterhalb der eisgrauen Berge
des Ammergebirges war seit Monaten ungebrochen. Die unfreien
Bauern litten Hunger und neue Saat war unmöglich
auszubringen, denn die fruchttragende Erde lag noch unter
dicken Schnee- und Eisschichten verborgen.
Schon stritten die Bauern und Tagelöhner im Dorf Stain untereinander
und mit dem Vieh um Heu. Sie bekriegten sich
mit Mistgabeln, Sensen, Sicheln und frevelhaften Flüchen
wegen der letzten Getreidekörner und der versiegenden
Milch ihrer Kühe. Farnwurzeln, die sie der schneebedeckten
Erde entrissen, gaben den Anstoß zu Fehden, die ihre Enkel
erbten und sie meuchelten sich gegenseitig nieder, anlässlich