Von sieben bis acht Uhr morgens räumte sie im größten
Lebensmittelmarkt Kirchwegnachs Regale ein.
In der Pizzeria Nino, am östlichen Stadtrand, kellnerte sie von
zwölf bis achtzehn Uhr und nach Feierabend, um
dreiundzwanzig Uhr, wischte sie dort die Toiletten. Sie säuberte
die urinverkrusteten Pinkelrinnen, die kotigen Kloschüsseln und
die schmuddeligen Klobrillen, sie las die verstreuten Papierrollen
auf und fischte blutige Binden und gebrauchte Kondome aus den
verstopften Toiletten. Die rechtschaffenen Bürger brandmarkten
Caroline als Schlampe, aber die Putzfrau Caroline wusste, wer die
wahren Schlampen des Städtchens waren.
Zuhause: Das Wort umschloss Raffael, ihr achtjähriges
Söhnchen.
Caroline stützte sich mit dem linken Arm gegen die
Aluminiumhaustüre ohne Glas. Sie war kalt. Erschaudernd
tastete sie mit dem Zeigefinger der rechten Hand an die Wand,
suchte den Klingelknopf >Caroline und Raffael Spena-Molter<
und läutete Sturm.
»Raffael mach, drück den Türöffner«, surrte es in Carolines
Gehirn, die Haustüre surrte keineswegs.
»Er ist in der Schule«, murmelte Caroline kläglich.
»Es ist ja acht, er ist in der Schule und ich müsste im Supermarkt
die doofen Regale füllen.«
Panisch mangelte sie den flachen Handteller auf die Platte mit
den sechs Namensschildern des Mietshauses.
»Macht auf ihr Penner!«
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