Kein beschützender Vater, der als Sanitäter unerreichbar in den
heiß umkämpften Straßen Königsbergs zurückbleiben musste.
Tante Lottchen mit ihrem zwolfjährigen Botho, Mutter und ich
drängten uns angstvoll dicht aneinander. Zwischen den Wartenden
stapelten sich Kisten, Truhen, Bettenbündel und Hausrat
der zum Stillstand gekommenen Trecks der Bauern Die ersten
in Feindeshand gefallenen Frauen aus Fischhausen
berichteten Schreckliches von Vergewaltigung, Mord und
Brand. Versprengte deutsche Soldaten suchten in der Menschenmenge
nach ihren Frauen und Kindern. Aber die gefürchtete
Gestapo hatte selbst hier, auf der Endstation, ihre Häscher
eingesetzt. Entdeckten sie einen sogenannten Fahnenflüchtigen,
wurde er erschossen und an einem Laternenpfahl am
Uferkai, mit einer Schlinge um den Hals, einem Plakat «Deserteur
» auf der Brust, mitten unter den hoffnungslosen Verzweifelten,
aufgeknüpft.
Mütter schrien kreischend auf, wenn ss-Schergen 14jährige
Söhne von ihnen losrissen und mit den Großvätern zum Volkssturm
abführten. Dieses traurige letzte Aufgebot sollte mit wenigen
Panzerfäusten die Heimat verteidigen und den Endsieg
erringen!
Endlich legte ein großer Dampfer an. Es kam Bewegung in die
Menschenmassen. Durch das Gedränge und die einsetzende
Panik wurden einige zu nahe am Kai Stehende ins Eiswasser
des Pregels gestoßen. Zwischen Schiffsrumpf und Ufermauer
gab es keine Rettung für sie. Wehrmachtsstreifen trieben mit
Gewalt die Menschen zur Seite, «Sankas» mit verwundeten Soldaten
rollten heran. Die Kolonne war endlos; dann folgten
Mütter mit Kleinkindern, Ärzte und Krankenschwestern. Die
«Steuben» legte ab. Wie wir heute wissen, zu ihrer letzten Fahrt.
Mit 2000 Flüchtlingen und 2500 Verwundeten an Bord versenkte
sie ein russisches U-Boot.
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