Aus Lautsprechern erschollen Kampfparolen und der Befehl,
zu Fuß über die Frische Nehrung nach Danzig zu marschieren.
Alles kopflose Anordnungen. Das Pillauer Tief des Pregels war
eine offene Fahrrinne, keine Barkasse, keine Fähre lag im Hafen,
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um uns überzusetzen.
24 Stunden hatten wir Füße trampelnd, Gesicht reibend und
Arme schlagend an der Anlegestelle ausgeharrt. Wir konnten
uns nicht mehr auf den Beinen halten, suchten in den Häusern
ein geschütztes Plätzchen. Alles war überfüllt. Erschöpft zusammen
gebrochene Menschen lehnten erfroren an Hausmauern,
kleine Kinder weinten neben ihren toten Müttern. Wir
konnten mit den klammen Fingern kaum noch unseren kleinen
Koffer tragen, als dicht vor uns ein kurzer Lichtblitz das Straßenpflaster
erhellte. Er kam aus der Tür der Marinestation
Pillau und wurde unsere Rettung. In dem geheizten warmen
langen Hausflur durften wir uns niederlegen und bekamen von
den Matrosen Brot und heißen Tee geschenkt. – Tagelang zogen
wir von hier aus, immer ergebnislos, an den Hafen, Es kamen
keine Schiffe mehr, nur das Maschinengewehrfeuer der
kämpfenden Front rückte näher und näher.
Mitten in der Nacht rüttelte man uns wach, wir mussten die
Gänge räumen, der Stützpunkt wurde aufgegeben, die U-Boot-
Suchflotille ging auf Feindfahrt. Meine Füße sackten unter mir
fort. Als ich erwachte, kniete ein helfender Arzt neben mir. Die
beste Medizin meines Lebens aber war seine «Verkündigung»,
dass die vier kleinen Marineboote je 12 Flüchtlinge bis nach
Swinemünde mitnehmen wollten.
Bei Windstärke 5, mit viel Angst, Aufregung und Übelkeit erreichten
wir «nur» Gotenhafen, waren aber glücklich, ein Stückchen
Abstand zur Front gewonnen zu haben.
Mit dem Zug fuhren wir nach Danzig, und Tante Lottchen meldete
sich, immer mit uns im Tross, bei der Hauptpost. Die