Dienstststelle war mit der Räumung und Flucht beschäftigt.
Zwei Tage schliefen wir in den warmen, teils verlassenen Büroräumen
und erhielten bald einen Reisefahrtausweis für einen
bestimmten Paketwaggon nach Berlin. Als wir am Bahnhof eintrafen,
stand die Lok unter Dampf, und in dem uns zugeteilten
Paketwaggon drängten sich Bedienstete und ihre Angehörigen
zwischen und auf den Jutepaketsäcken. Zwei Kinderwagen mit
Säuglingen füllten den einzig freien Platz an der Schiebetür. Wir
wurden reingeschoben, und eine siebentägige Fahrt begann.
Tieffliegerbeschuss, Abstellen auf Nebengeleisen, kurze Fahrstrecken,
Warten und immer wieder Warten. Kaum wagten wir
auszusteigen, um unsere Notdurft zu verrichten, nie wusste
man, wann es weiterging. Uns plagten Hunger und Durst. Einmal,
als wir in der Nähe von Häusern endlos lange ausgeharrt
hatten, kletterten einige Männer, Botho und ich unter abgestellten
Zügen hindurch, um etwas Brot und Wasser zu ergattern.
Nur zweimal hielten wir an einer Bahnstation. Sofort erschienen
Rotkreuz-Schwestern mit Kaffee, Tee, Milch und Esswaren.
Für einen Säugling kam die Hilfe zu spät.
Berlin war erreicht. Sanitäter und Hilfsschwestern fuhren mit
uns zu einem riesigen Luftschutzbunker, in dem wir auch bei
Fliegeralarm uns zum ersten Male wieder ruhig und geborgen
fühlten. Zu zweit erhielten wir in einem großen Raum ein bezogenes
Bett. Es gab eine herrliche Hühnernudelsuppe. Tantchen
aß drei Teller voll. Wir waren selig, soweit man diesen Begriff
in der schweren Zeit überhaupt benutzen konnte. Im
Waschraum lief warmes und kaltes Wasser, Seife und Handtuch
waren vorhanden. Nach Wochen endlich Unterwäsche und
Strümpfe wechseln, sich abschrubben, die Haare waschen. Wir
sanken traumlos in tiefen Schlaf.
Wie wohl tat es, am nächsten Tag betreut zu werden, die große
Angst etwas abbauen zu können.
7