So stellen sich für Keller zwei Fragen:
18
1. Wenn die biblische Josefsgeschichte Elemente
so später Zeit enthält – kann sie dann so uralt
sein, wie man bisher meinte (oder muss sie dann
nicht erst sehr viel später entstanden sein, als
man bisher annahm)?
2. Wenn aber die Zeit nicht stimmt – wie steht es
dann überhaupt um die Authentizität der
Geschichte? Wie um die Echtheit ihrer
ägyptischen Färbung?"
Anhand der Recherchen des kanadischen Ägyptologen Donald B.
Redford erkennt Keller Zweifel an den Beziehungen von Josef
zur Hyksoszeit. So hätten die Kaufleute, die Josef nach Ägypten
schleppten, Lastkamele verwendet (1. Mo. 37:25), und die gelten
für jene Zeit als umstritten und wiesen eher auf eine spätere
Epoche hin als ausgerechnet die Hyksoszeit. Als typisch hykoszeitlich
hätten viele die Erwähnung des Wagens in der biblischen
Josefsgeschichte empfunden (1. Mo. 41:43), tatsächlich sei
aber der einachsige, zweirädrige Wagen erst während der
Hyksoszeit nach Ägypten gelangt. Allerdings weist Keller darauf
hin, dass man den Wagen später nicht abschaffte, so dass
die Erwähnung des Wagens auch auf jede beliebige spätere Geschichtsphase
hindeuten könne. Die Josefsgeschichte, wie wir
sie in der Bibel finden, habe "ganz offenkundig mehrmals die
Kenntnis und den Gebrauch von Münzgeld vorausgesetzt" (s.
z. B. 1. Mo. 42:25). Insbesondere das in dieser Stelle benutzte
Wort für "Geldbeutel" sei tatsächlich nur aus Zeiten belegt, in
denen es bereits Münzgeld gab, und das dürfte Keller zufolge
aber in Ägypten und dem Gelobten Land "kaum vor dem Ende
des 6. Jahrhunderts v. Chr. der Fall gewesen sein". Der Titel
Potifars, des hohen Beamten in der Josefsgeschichte, der zumeist
als "Kämmerer" oder "Hofbeamter" übersetzt wird,