Drei Wochen später, am Lago di Caldonazzo, südwestlich der
Dolomiten
Mit leisem Knirschen berührte der Kiel des kleinen Bootes den kiesigen
Ufergrund einer Bucht südlich von Tenna am Lago di Caldonazzo. Der
beleibte Mann, der in dem schaukelnden Gefährt saß, zog die Ruder ein.
Prüfend sah er um sich. Nichts und niemand war im fahlen Licht des
Mondes, das der Morgendämmerung voranschritt, zu sehen. Die ersten
Vögel begrüßten den kommenden Tag mit fröhlichem Gezwitscher und
vor dem grauen Horizont zeichneten sich die Bäume ab, deren Blätter im
leichten Morgenwind rauschten. Dann packte der Mann die Stange mit
dem Bootshaken, die auf dem Boden des Kahns lag, griff nach der Leine,
die an einem eisernen Ring am Steven des Bootes befestigt war und
kletterte mühsam aus seinem Gefährt. Die kurzgeschorenen tiefschwarzen
Haare, die von seinem kugelrunden feisten Kopf wegstanden, die
hervorquellenden blassblauen Augen und die breite Nase verliehen ihm
das Aussehen eines stacheligen Frosches. Misstrauisch schaute er um sich.
Doch weit und breit erblickte er kein menschliches Wesen. Bald aber
würde die Sonne aufgehen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sich am
Horizont die Morgenröte zeigen und die ersten Fischer ihre Netze
einholen würden. Es war kalt und Carlo Monti, einer der reichsten Männer
von Tenna, fröstelte, als er aus dem Wasser stapfte.
Gänzlich umsonst hatte er diese Fahrt unternommen. Wie er mit Hilfe
seines Bootshakens eindeutig festgestellt hatte, war alles noch so wie vor
zwei Monaten gewesen. Aber wer hatte ihm dann diese Nachricht
zukommen lassen? Wer wusste, dass der Leichnam von Andrea Bossi
unter tiefhängenden Bäumen ruhte? Dort, in einer vom Ufer
unzugänglichen Bucht nur wenige Ellen tief neben einer Felswand im
Schlamm des Sees? Monti war beunruhigt.
Gestern Abend hatte jemand heftig an die Türe seines Hauses geklopft.
Als er sie öffnete, war niemand da gewesen. Stattdessen lag ein gefalteter
Zettel vor dem Eingang. Rasch hatte er um sich geblickt. Doch schien die
Gasse, in der sich sein Haus befand, menschenleer zu sein. Schnell hatte
er das Papier an sich genommen. Als er es im Schein der Kerze öffnete,
war ihm der Zettel vor Schreck beinahe aus der Hand gefallen. „Andrea
Bossi ist vom Grund des Sees aufgestiegen und wartet auf Euch“ war fein
säuberlich niedergeschrieben gewesen.
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